Lesefreunde Hürth e.V.

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Teil 2: Ein Land? Ein Land!

Kathrin Aehnlich - Wie Frau Krause die DDR erfand (2019) *

Isabella Krause, knapp 50 Jahre alt und wenig erfolgreich als Schauspielerin, nimmt den Auftrag an, für eine Fernsehdokureihe Ostdeutsche zu finden, die dreißig Jahre nach der Wende aus ihrem Leben in der DDR erzählen. An den Orten ihrer Kindheit trifft sie Menschen, die sie für geeignet hält, der westdeutsche Filmautor jedoch nicht. Die Interviewpartner berichten von ihrem ganz normalen Leben, in dem Politik keine große Rolle spielte und man sich mit den Verhältnissen arrangierte. Gewünscht ist jedoch eine kritische Auseinandersetzung und Berichte über Mangelwirtschaft, Diktatur und den Überwachungsstaat. Erst als Isabella mit Hilfe von Schauspielern die gewünschten Biografien liefert, ist das Filmteam zufrieden.

Wer hat die Deutungshoheit über Geschichte und Biografien? Mit Isabella Krause und den von ihr ausgewählten Interviewpartnern geht Kathrin Aehnlich dieser Frage nach. Am Ende fügt sich alles und es gibt sogar noch eine Erklärung für die DDR-kritische Grundhaltung des Filmautors, aber es wird deutlich, wie wichtig gegenseitiges Zuhören und Perspektivwechsel sind.

Heribert Prantl: Mensch Prantl (2023)

Für jeden Monat des Jahres wählt Prantl ein Thema aus dem Spektrum Politik, Rechtssystem, Gesellschaft oder Religion aus und verknüpft dabei Analyse, politischen Kommentar und Erlebtes. Im Kapitel Oktober hinterfragt er den Weg zur deutschen Einheit, die Wahl des Feiertags und macht einen Vorschlag für eine Erweiterung der deutschen Nationalhymne.

"Vollzogen, aber nicht vollendet” - die Überschrift des Kapitels nimmt das Fazit vorweg. Heribert Prantl analysiert die politischen Entscheidungen der Wendezeit, nennt Beispiele und Alternativen.

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts (2011) *

Über fünf Jahrzehnte und vier Generationen schildert der Roman die Geschichte der Familie Umnitzer-Powileit und spiegelt darin gleichzeitig die Geschichte der DDR. Wilhelm und Charlotte Powileit waren als überzeugte Kommunisten lange Jahre im mexikanischen Exil. Charlottes Sohn Kurt war wegen kritischer Äußerungen zum Hitler-Stalin-Pakt in Lagerhaft und in der Verbannung. In der DDR wird er ein anerkannter Historiker, der auf einen demokratischen Sozialismus hofft. Sein Sohn Alexander (Sascha) wurde noch in Russland geboren, ist aber in der DDR aufgewachsen. Er flieht noch kurz vor dem Mauerfall in den Westen, sein Sohn Markus erlebt als Jugendlicher nach der Wende größere Freiräume, ohne dass dies zu größerer Zufriedenheit führt.

Die Handlung spielt in verschiedenen Zeitebenen, die nicht chronologisch angeordnet sind. In der Rahmenhandlung 2001 reist Alexander auf den Spuren seiner Großmutter nach Mexiko, nachdem bei ihm eine tödliche Krankheit diagnostiziert wurde. Der 1. Oktober 1989, 90. Geburtstag von Wilhelm, wird aus der Sicht von verschiedenen Personen geschildert. Dazwischen erfährt man nach und nach Ereignisse aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis nach der Wende und über die auch politisch begründeten Spannungen in der Familie. Die Ereignisse im Roman lehnen sich an die Familiengeschichte des Autors an.


Lutz Seiler: Kruso (2014) *#

Sommer 1989: Nach dem Unfalltod seiner Freundin bricht der Student Edgar nach Hiddensee auf, um dort als Saisonkraft in der Gaststätte “Klausner” Abstand zu gewinnen und Gleichgesinnte zu finden. Hiddensee war in der DDR-Zeit ein Fluchtpunkt für Intellektuelle, Aussteiger, Andersdenkende – eine Möglichkeit, “die DDR zu verlassen, ohne die Grenzen zu überqueren” - und auch ein Startpunkt für Fluchtversuche nach Dänemark. Im Klausner lernt Edgar den charismatischen Alexey Krusowitsch kennen. Kruso versucht Fluchtwillige davon abzuhalten, ihr Leben zu riskieren und bietet als Alternative eine Utopie von Gemeinschaft und Gleichberechtigung, die er mit spirituellen Ritualen und Beherbergung auf der Insel unterstützt. Ein Radio im Klausner ist die Verbindung der Crew zur Außenwelt und so sickern langsam die Nachrichten über die Vorgänge des Sommers 1989 ein: Massenfluchten über Ungarn und Prag, die zerbröckelnde DDR. Als die Grenzen offen sind, bleiben Edgar und Kruso allein zurück. Kruso leidet sehr am Zerfall seiner Utopie und wird nach einem Angriff auf Edgar schwer verletzt von seinem sowjetischen Vater heimgeholt. Edgar bleibt allein auf der Insel.

Mit zahlreichen literarischen Bezügen und surrealistischen Elementen erzählt Lutz Seiler über die besondere Atmosphäre Hiddensees zu DDR-Zeiten und über den Sommer 1989, den der Autor selbst auf der Insel verbrachte. Im Epilog geht es um die Recherche nach den 174 Flüchtlingen, die seit 1961 auf ihrer Flucht nach Dänemark in der Ostsee umgekommen sind.

Gregor Sander: Lenin auf Schalke (2022) #

Im Auftrag seines Freundes Schlüppi reist der Ich-Erzähler in den “Osten im Westen”, nach Gelsenkirchen, in die ärmste Stadt Deutschlands. Seit dreißig Jahre beobachte der Westen den Osten und drehe und wende ihn wie ein Schnitzel in der Pfanne ; es sei Zeit, zurückzugucken. Auf seiner Mission beobachtet der Autor u.a. “verblühende Landschaften”, die Errichtung eines Lenin-Denkmals in Gelsenkirchen-Horst und die Schalker Fußball-Leidenschaft. Er begegnet Schlüppis Cousine Zonengabi und ihrem Freund Ömer, dem Geist Adolf Tegtmeiers, dem auf verlorenem Posten kämpfenden Tourismusmanager Gelsenkirchens, dem ehemaligen Oberstadtdirektor Gelsenkirchens und vielen anderen Menschen des Ruhrgebiets.

Gregor Sander schreibt mit Hintersinn und Humor, er entdeckt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Osten Deutschlands und einer Stadt im Westen, die dem Ende der Kohle- und Stahlindustrie wirtschaftlich nichts entgegensetzen konnte.

(Alle Empfehlungen von Lesefreundin und Lesementorin Jutta Niermann)

Tina Pruschmann: Bittere Wasser (2022) *

Idas Eltern sind berühmte Artisten des DDR-Staatszirkus und genießen deshalb zahlreiche Privilegien. Bis zur Einschulung wächst das Mädchen bei ihren Eltern auf und entwickelt dabei eine besondere Bindung zur jungen Elefantenkuh Hollerbusch. Damit Ida regelmäßig die Schule besuchen kann, wird sie in den kleinen Dorf Tann im Erzgebirge zu ihrer Großmutter geschickt. In ihrer Kneipe treffen sich vor allem Männer, die im Uranabbau arbeiten und zu Recht den strahlenbedingten Lungenkrebs fürchten. Dann kommt die Wende. Die Mine wird geschlossen, der Zirkus aufgelöst, ihre Eltern trennen sich, und das Dorfleben verändert sich sehr stark. Deshalb geht Ida nach Kyjiw, lebt dort für einige Jahre als Tierpflegerin im Zoo und erlebt mit, wie die Ukraine neu gegründet wird. Doch sie kehrt in ihren Heimatort zurück.

Lesend begleitet man Ida über Jahrzehnte und erlebt dabei die Folgen der politischen Veränderungen an Einzelschicksalen und Regionen mit. Ohne dass die Autorin einen Zeigefinger erhebt, kann man so Verständnis für die Menschen im Erzgebirge entwickeln, für die die Wende keineswegs nur positiv war. Mir hat auch die Sprache sehr gut gefallen.

Hanna Schott: Fritzi war dabei: Eine Wendewundergeschichte (2009)

Es ist der 1. September 1989. Fritzi ist in der vierten Klasse und freut sich darauf, an diesem ersten Schultag nach den Sommerferien die anderen Kinder wiederzusehen. Aber schon beim Fahnenappell am Morgen fällt auf, dass einige Mitschüler und Mitschülerinnen fehlen. In den nächsten Tagen fällt auf, dass viele Menschen aus ihrem Urlaub nicht mehr in die DDR zurückgekommen sind. Es spricht sich herum, dass sie in Ungarn oder Prag auf ihre Ausreise in den Westen warten. Fritzi erlebt, dass immer mehr Menschen auf den Straßen Leipzigs für Freiheit und Demokratie demonstrieren, und bald beteiligt sich auch ihre Familie an den wöchentlichen Friedensgebeten. Dann wird tatsächlich die Grenze geöffnet, Fritzi erlebt diese politische „Wende“ hautnah mit und kann endlich einmal nach München zu ihrer Oma reisen.

Dies ist ein Kinderbuch, das aber auch für Erwachsene interessant ist und die wichtigsten Ereignisse zur Wende zusammenfasst. Im Jahr 2019 wurde die Geschichte auch verfilmt.

Ilko-Sascha Kowalczuk: Freiheitsschock. Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute (2024)

Der Historiker und Publizist Kowalczuk ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen, arbeitet bei der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und gilt nun als Experte für Kommunismus und die Geschichte der DDR. In diesem Buch geht er der Frage nach, warum die AFD im Osten Deutschlands als Partei so stark werden konnte und warum sich die Menschen dort mit einer liberalen Demokratie schwertun. Er erläutert Ursachen aus den Jahren der SED-Diktatur und den Fehlern im Prozess der Wiedervereinigung von Bundesrepublik und DDR. Auch wenn damals viele Interessen der Ostdeutschen nicht berücksichtigt wurden, ist es ihm sehr wichtig, dass sie aus ihrer „Opferrolle“ herausfinden.

Die Ausführungen des Autors wecken Verständnis für politische Entwicklungen der vergangenen Jahre und bieten zahlreiche interessante Gedanken für Gespräche.


Jenny Erpenbeck: Kairos (2021) *#

Die neunzehnjährige Katharina lernt 1986 in Ost-Berlin kurz nach ihrem Abitur den 34 Jahre älteren Hans kennen. Er ist erfolgreicher Journalist und Schriftsteller, seit drei Jahrzehnten verheiratet und seiner Frau nie treu. Sehr schnell entwickelt sich zwischen beiden eine Liebesbeziehung, in der Katharina zuerst vollkommen aufgeht, sich dann aber immer stärker durch die Einflussnahme und Kontrolle von Hans eingeengt fühlt. Parallel zu dieser Entwicklung wird die politische Situation in der DDR schwieriger. Auch dies hat Einfluss auf ihr Miteinander. Einige Jahre nach der Wiedervereinigung endet die Liebe des Paares, und Katharina ruft sich ihre Liebesgeschichte noch einmal in Erinnerung. War sie wirklich „Kairos“ – eine gute Entscheidung zu einem günstigen Zeitpunkt, im Sinne des griechischen Gottes?

Sehr interessant ist die Parallelerzählung einer Liebesgeschichte und der Geschichte der DDR in den Jahren kurz vor und nach der Wende. Jenny Erpenbeck hat 2024 den Internationalen Booker Prize für dieses Buch erhalten.

Thomas Rosenlöcher: Die verkauften Pflastersteine. Dresdner Tagebuch (2023)

Thomas Rosenlöcher war ein anerkannter Schriftsteller in der DDR, Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und Akademie der Künste in Berlin, im Westen Deutschlands allerdings kaum bekannt. Der Autor lebte in der Nähe von Dresden und begann dieses Buch mit Tagebucheinträgen in den letzten Wochen vor der Grenzöffnung im Jahr 1989. Während in Leipzig die Montagsdemonstrationen friedlich verliefen, gab es in Dresden zahlreiche Auseinandersetzungen mit den staatlichen Organen. Den größten Teil des Buches nehmen aber die Monate nach dem 9. November 1989 ein. Kritisch und selbstkritisch beobachtete der Autor die Veränderungen der Menschen und ihrer Lebenssituation nach der Wende.

Gerade im Rückblick sind diese Tagebucheintragungen noch einmal sehr interessant. Sicher wäre heute manches anders, wenn man im Westen größeres Verständnis für die Bedingungen und Bedürfnisse der Menschen in Ostdeutschland gehabt und entsprechende politische Konsequenzen daraus gezogen hätte. Zum Glück kann dies immer noch geschehen.

Hendrik Bolz: Nullerjahre. Jugend in blühenden Landschaften (2023)

Kurz nach der Wende breitet sich bei den Menschen in Stralsund Perspektivlosigkeit aus. Durch die Wiedervereinigung sind viele Arbeitsplätze verloren gegangen, die Veränderungen durch Umstrukturierungen beängstigen, und die Erwachsenen können den Jugendlichen keine wirkliche Orientierung mehr sein. Auch Hendrik und sein Freundeskreis fühlen sich recht verloren und versuchen ihre innere Leere durch Drogen, Angeberei, Gewalt und Machtdemonstrationen zu überdecken. Zudem registrieren sie, dass die offizielle Politik die Probleme der Jugendlichen nicht wahrnehmen will und die Außendarstellung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Trotz seines Drogen- Alkohol- und Tablettenkonsums schafft Hendrik das Abitur und findet dann in Berlin seinen Weg in die Rap-Musik und das Schreiben.

Schonungslos erzählt der Autor aus seiner Jugend und fordert die Leser*innen dazu heraus, sich mit einer Lebenswelt zu beschäftigen, die den meisten fremd sein wird und auf Ablehnung stößt. Auch mich hat dies angestrengt, berührt und nachdenklich gemacht.


Daniel Schulz: Wir waren wie Brüder (2022)

In einem kleinen brandenburgischen Ort herrscht kurz vor der Wende schlechte Stimmung. Die Erwachsenen sind unzufrieden mit dem Staat und seiner Mangelwirtschaft, müssen sich aber irgendwie zurechtfinden. Die Männer trinken viel, und in den Familien wird oft gestritten. Körperliche Bestrafungen der Kinder und Jugendlichen gelten als normal.
Die Situation bessert sich nach der Wende erst einmal nicht. Die Umstrukturierung der Wirtschaft verursacht Arbeitslosigkeit, und unter der zunehmenden Perspektivlosigkeit der Elterngeneration wachsen die Kinder häufig orientierungslos auf. Bereits vorhandener Antisemitismus, Homophobie und Ausländerfeindlichkeit nehmen zu. Der Ich-Erzähler ist von all dem abgestoßen und muss sich in Schule und Freizeit doch täglich bemühen, ohne allzu große körperliche und seelische Verletzungen durch Kindheit und Jugendjahre zu kommen.

Dies ist eine sehr offene Erzählung über das Aufwachsen eines Zehnjährigen und seiner Freunde in der Zeit kurz vor der Wende und im folgenden Jahrzehnt. Mich hat beeindruckt, mit welcher Kraft jemand sein Leben zum Positiven gestalten will und, denke: Warum hat man auf die jungen Menschen und ihre Probleme in dieser Zeit nicht genauer und achtsamer geschaut!?

Frank Willmann: Der Pate von Neuruppin. Vom Imbisswagen zum Drogenimperium (2023)#

Die Festnahme der Mitglieder der sog. „XY-Bande“ im August 2004 beendete einen der bis dahin größten Kriminalfälle im Osten Deutschlands. In vielen Gespräche mit den Beteiligten konnte der Autor deren Vertrauen gewinnen und ihre Geschichte erzählen. Im Mittelpunkt steht dabei Olaf Kamrath, der sich schon zu DDR-Zeiten etwas verloren fühlt und mit der Wiedervereinigung große Hoffnungen verbindet. Mutig eröffnet er bereits 1990 mit einigen Freunden eine Imbissbude in Neuruppin. Aus verschiedenen Gründen haben sie nicht den gewünschten Erfolg, und so lassen sie sich nach und nach auf weitere Geschäfte ein, die zudem zunehmend illegal werden. Am Ende geht es um Kokain, unerlaubtes Glücksspiel und mehr.

Erstaunlich und eigentlich unfassbar, wie leicht und schnell man ohne sicheren familiären und sozialen Hintergrund in die Illegalität abrutschen kann. So liest sich dies Buch nicht nur als Kriminalgeschichte, sondern auch als Beschreibung eines Teils unserer Gesellschaft.

Franziska Hauser/Maren Wurster (Hrsg): Ost*West*frau (2025)

„Findest du nicht auch, liebe Franziska, dass die Unterscheidungen in Ost und West überholt sind? Das braucht es doch nicht mehr. Diese ganze Polarität.“
„Dafür, liebe Maren, unterhalten wir uns aber schon sehr lange über die Unterschiede…“
Mit diesen Sätzen eröffnen die Herausgeberinnen ihr Buch, in dem dann Autorinnen und Autoren aus Ostdeutschland und Westdeutschland zu Wort kommen. Sie schreiben in ihren jeweiligen Artikeln über Themen wie Kindheitserfahrungen, Mutterschaft und Berufstätigkeit und setzen sich dabei mit ihrer eigenen Sozialisation durchaus kritisch auseinander.

Das Buch ist nicht nur für Frauen interessant! Jedes Kapitel hat einen eigenen Schwerpunkt, und zeigt doch im Gesamten, dass sich Identität aus vielen „Bausteinen“ zusammensetzt.


Steffen Mau: Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt (2024)

Der Autor ist Soziologe und arbeitete lange Zeit als Professor für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Seit einigen Jahren ist er zudem Mitglied des Sachverständigenrates für Integration und Migration. In diesem Buch beschreibt er die heutigen unterschiedlichen Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland und führt sie mit zahlreichen Erklärungen auf verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen seit 1945 zurück. In seiner kritischen Auseinandersetzung bietet er konstruktive Vorschläge für die Zukunft an.

Dieses Buch fordert zu Diskussionen über den Inhalt auf. Empfehlenswert ist es vor allem für Leser und Leserinnen von Sachbüchern, die auch Interesse an Soziologie haben.

Victor Schefé: Zwei, drei blaue Augen (2025)

Der Schauspieler Victor ist elektrisiert, als er 1989 in West-Berlin die Maueröffnung erlebt. Ihn selber hatte es viel Zeit und Mühe gekostet, drei Jahre zuvor in den Westen ausreisen zu dürfen. 1968 in Rostock geboren und dort aufgewachsen, ist ihm bereits als Jugendlicher klar, dass er in die Freiheit will. Von diesem Plan halten ihn auch nicht seine staatstreue Mutter und seine Großmutter ab. So nimmt er schulische und berufliche Nachteile ebenso in Kauf wie die Überwachungen und Befragungen durch die Stasi. Kraft und Halt findet er im Sport, in der Musik und in zahlreichen Freundschaften. Beharrlich stellt er einige Ausreiseanträge, wird Schauspieler, lebt offen und dennoch mit Vorsicht seine Homosexualität aus und weint „Freudentränen“, als er 1986 endlich die Grenze zwischen DDR und BRD überschreitet. Das ist für ihn auch ein guter Zeitpunkt, um seinen Geburtsnamen „Tassilo“ endgültig abzulegen.

Dieser Roman über den beharrlichen und mutigen Weg eines jungen Mannes in die Freiheit ist durch die Einfügung von Stasi-Protokollen besonders interessant. Die kreative Sprache, zahlreiche Musikbeispiele und das rasante Erzähltempo des Buches haben mich begeistert.
(Alle Empfehlungen von Ulla Buse, Vorsitzende der Lesefreunde)

*= Diese Bücher können in der Stadtbücherei Hürth ausgeliehen werden.
#= Diese Bücher können in der Onleihe Rhein-Erft ausgeliehen werden.
Eugen Ruge: In Zeiten abnehmenden Lichts kann in der Stadtbücherei auch als Hörspiel (CD) ausgeliehen werden.